Die GNU General Public License in der Version 2.0 (GPL-2.0) ist eine der weltweit am häufigsten verwendeten FOSS Lizenzen. Sie findet Anwendung in einer Vielzahl prominenter Softwareprojekte, insbesondere im Linux-Kernel, dessen Quelltext vollständig unter dieser Lizenz veröffentlicht wird. Die weite Verbreitung der GPL-2.0 ist Ausdruck eines etablierten Lizenzmodells, das klare Bedingungen an die Weitergabe von Software knüpft und mit dem sogenannten Copyleft-Effekt ein spezifisches Lizenzregime etabliert hat.
Exkurs: Linux ist überall
Vom Smartphone in der Tasche bis zum Smart‑TV im Wohnzimmer, Linux steckt heute in erstaunlich vielen, weithin bekannten Systemen: Android baut auf dem Linux‑Kernel auf und läuft auf Milliarden von Smartphones und Tablets; Chromebooks z. B. nutzen ChromeOS, das ebenfalls auf Linux basiert. Im Fahrzeugbereich treiben Linux‑basierte Plattformen wie Android Automotive oder Automotive Grade Linux moderne Infotainment‑ und Vernetzungsfunktionen an. Und nicht zuletzt läuft ein großer Teil der weltweiten Internet‑ und Cloud‑Infrastruktur auf Linux‑Servern, oft unsichtbar, aber unverzichtbar für unseren digitalen Alltag.
Der Vorgabenkatalog der GPL-2.0
Wer Software unter der GPL-2.0 weitergibt, muss bestimmte Bedingungen einhalten. Diese betreffen vor allem Transparenz, Offenlegung und Nutzungsfreiheit. Im Einzelnen:
- Beifügen des Lizenztextes:
Jede Weitergabe, sei es in Quellcode- oder als Binärdatei erfordert das Beifügen des vollständigen Lizenztexts der GPL-2.0.
- Urheberrechtsvermerke und Änderungsdokumentation:
Alle bestehenden Copyright-Hinweise müssen erhalten bleiben. Falls die Software in Binärform weitergegeben wird, sind diese Hinweise gesondert anzugeben (z. B. in der die Software begleitende Lizenzdokumentation). Eigene Änderungen müssen zudem klar gekennzeichnet werden. - Bereitstellung des Quellcodes:
Bei Verbreitung in Binärform besteht die Verpflichtung, entweder:- den vollständigen Quellcode direkt mitzuliefern oder
- ein schriftliches Angebot beizufügen, das allen Empfängern der Binärdatei für mindestens drei Jahre einen kostenfreien Zugang zum vollständigen Quellcode zusichert.
Wichtig: Diese Regelung gilt im Rahmen des Copyleft-Effekts nicht nur für den ursprünglich unter der GPL-2.0 lizensierten Code, sondern auch für Codeanteile, die mit diesem zusammen ein „abgeleitetes Werk“ (sog. derivative work) bilden. Dies kann auch eigenen, proprietären Code betreffen.
- Form des Quellcodes:
Der Quellcode muss in einer für die weitere Bearbeitung geeigneten Form vorliegen. Dazu gehören auch notwendige Hilfsmittel wie beispielsweise Installationsskripte. - Keine zusätzlichen Einschränkungen:
Weder der Lizenztext noch die darin enthaltenen Haftungsausschlüsse dürfen verändert oder durch zusätzliche Bedingungen eingeschränkt werden.
Copyleft-Effekt und rechtliche Tragweite
Zentrales Prinzip der GPL-2.0 ist das nun schon häufig erwähnte Copyleft. Es stellt sicher, dass jede Software, die auf GPL-lizenzierter Software basiert oder mit ihr so kombiniert wird, dass ein „abgeleitetes Werk“ (sog. derivative work) entsteht, nur unter den Bedingungen der GPL-2.0 weitergegeben werden darf. Ziff. 2 Buchst. b der Lizenz formuliert dies eindeutig:
„You must cause any work that you distribute or publish, that in whole or in part contains or is derived from the Program or any part thereof, to be licensed as a whole at no charge to all third parties under the terms of this License.”
Die zentrale rechtliche Herausforderung besteht darin, zu bestimmen, wann eine Software als „abgeleitetes Werk“ gilt. Während das US-amerikanische Recht in 17 U.S.C. § 101 eine Definition dafür bereithält, bleibt das deutsche Recht an dieser Stelle uneindeutig. Es kennt keine direkte Entsprechung zum Begriff „derivative work“, sondern unterscheidet vielmehr zwischen Bearbeitungen (§ 3 UrhG) und Sammelwerken (§ 4 UrhG), ohne jedoch spezifisch auf die Interoperabilität von Softwarekomponenten einzugehen.
Auslegungsansätze und Praxiskriterien für die Bewertung von „abgeleitetes Werk“
Die Free Software Foundation (FSF) vertritt eine sehr weite Auslegung des Copyleft-Effekts: Selbst bei dynamischem Linking oder API-Nutzung soll ein „abgeleitetes Werk“ entstehen und damit den Lizenzbedingungen der GPL-2.0 unterliegen. In der deutschen Rechtsprechung existiert hierzu bislang keine gefestigte Linie.
Zur rechtlichen Bewertung, ob der Copyleft-Effekt der GPL-2.0 greift, lassen sich dogmatisch zwei zentrale Kriterien heranziehen:
- Formales Kriterium:
Besteht auf technischer Ebene eine Verbindung des Codes, etwa durch statisches oder dynamisches Linking? - Funktional-inhaltliches Kriterium:
Besteht eine so enge Interaktion der Softwarekomponenten, dass aus Sicht des Nutzers keine funktionale Trennung mehr vorliegt?
In der Praxis bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung beider Kriterien, um zu beurteilen, ob ein „abgeleitetes Werk“ vorliegt. Gerade in Grenzfällen mangelt es jedoch an verbindlichen Leitlinien, sowohl in der gerichtlichen Praxis als auch innerhalb der Open Source-Community. Eine belastbare rechtliche Einordnung ist daher meist nur durch sorgfältige Einzelfallprüfung möglich.
Keine Regelung zur Tivoisierung
Ein zentraler Kritikpunkt an der GPL-2.0 ist das Fehlen einer Regelung zu sogenannten „Tivoisierungsmaßnahmen“. Darunter versteht man technische Schutzmechanismen (z. B. Signaturprüfungen), die verhindern, dass modifizierte Versionen der Software auf bestimmten Geräten oder Systemen ausgeführt werden können. Obwohl die GPL-2.0 die Offenlegung und Weitergabe des Quellcodes verlangt, können Hersteller durch solche technischen Maßnahmen verhindern, dass modifizierte Software faktisch genutzt werden kann.
Die GPL-3.0 als Reaktion auf Praxisprobleme
Die im Jahr 2007 veröffentlichte GPL-3.0 adressiert genau diese Schwächen. Sie enthält explizite Regelungen zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen und führt zudem abgestufte Reaktionsmechanismen bei Lizenzverstößen ein. Während die GPL-2.0 eine sofortige Beendigung der Nutzungsrechte bei Verstößen vorsieht, ermöglicht die GPL-3.0 unter bestimmten Voraussetzungen deren Wiederherstellung. Darüber hinaus wurden bestehende Kompatibilitäsprobleme zu anderen weit verbreiteten FOSS Lizenzen, wie etwa der Apache-2.0 erkannt und durch die Aufnahme einer Öffnungsklausel für zusätzliche Lizenzvorgaben (Ziffer 7 GPL-3.0) behoben.
Die GPL-2.0 als zentrales Element der FOSS Landschaft
Die GPL-2.0 bleibt ein bedeutendes Fundament in der FOSS Welt, mit klaren Stärken, aber auch erkennbare Schwächen. Ihr Einsatz erfordert sowohl technische Differenzierung als auch juristische Sorgfalt, insbesondere bei der Bewertung des Copyleft-Effekts. Die GPL-2.0 birgt rechtliche Fallstricke, gerade für kommerzielle Produkte, für die es stets einer Einzelfallbewertung bedarf, um einen lizenzkonformen Einsatz ohne böse Überraschungen sicherzustellen. Dies gilt unabhängig von der nicht geregelten Tivoisierungsthematik. Ein Verstoß gegen die GPL-2.0 führt zum vollständigen Verlust der Nutzungsrechte – ohne einfache Wiederherstellungsmöglichkeit. Zwar schließt die GPL-3.0 einige Lücken und reagiert auf praktische Probleme, doch ändert das nichts an der anhaltenden Relevanz der GPL-2.0, die in zahlreichen FOS Projekten weiterhin Anwendung findet.